Illegale Software-Kopien, abgefilmte Spielfilm-Highlights und gecrackte Musik-CDs werden massenhaft verbreitet, heißt es auf der Internetseite der GVU (Gesellschaft zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen e.V.), die, anders als der Name signalisiert, nur im Auftrag der Film- und Unterhaltungssoftwarebranche zur Verfolgung von Urheberrechtsverletzungen tätig wird. Möglicherweise nicht seltener, aber weit weniger im Fokus der medialen Aufmerksamkeit stehen Urheberrechtsverletzungen im Bereich der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB). Dabei ist nichts einfacher, als ein Unternehmen derselben Branche im Internet aufzuspüren und dessen AGB kurzerhand zu kopieren und selbst zu verwenden. Dass ein solches Verhalten eine Urheberrechtsverletzung darstellen kann, die Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche nach sich zieht, ist nur wenigen bekannt und die Rechtsprechung dazu auch noch im Aufbruch befindlich. Zur Bekämpfung fehlt es an einer Lobby bzw. am finanziellen Interesse. Im Gegensatz zur digitalen Unterhaltungsindustrie sind Rechtsanwälte auf diesem Gebiet, häufig Urheber von AGB, Einzelkämpfer.

AGB als Sprachwerk i.S.v. § 2 Abs. 1 Nr. 1 UrhG – nötige Gestaltungshöhe?

Der juristische Knackpunkt dieser Problematik besteht darin, ob die betreffenden AGB über die erforderliche Schöpfungshöhe verfügen und damit ein (wissenschaftliches Gebrauchs-)Sprachwerk im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr.1 UrhG darstellen. Denn das ist primäre Voraussetzung für die Eröffnung des urheberrechtlichen Schutzes, wie § 2 Abs. 2 UrhG verdeutlicht. Danach muss es sich um eine persönliche geistige Schöpfung handeln, nur dann liegt ein urheberrechtsfähiges Werk vor.

Gedankliches Konzept und sprachliche Fassung als Individualisierungsmaßstab

Ob AGB dieser Voraussetzung genügen, bemisst sich danach, ob sie sich wegen ihres gedanklichen Konzepts oder ihrer sprachlichen Fassung von gebräuchlichen juristischen Standardformulierungen abheben, wobei knappe und zutreffende rechtliche Formulierungen, die durch Rechtslage und sachliche Regelungsanordnungen geprägt sind, nicht monopolisiert werden dürfen (LG Köln, Urteil vom 17.09.2008 – 28 O 368/08, Senat, Beschluss vom 07.08.2006 – 6 W 92/06, LG München I, GRUR 1991,50).

Diese abstrakte formaljuristische Beschreibung gewinnt Farbe und Kontur durch den Richter. Denn letztlich ist es Tatfrage, ob man dem Klauselwerk die notwendige Individualität in Konzeption und Formulierung zuerkennt (LG Köln, Urteil vom 27.02.2009 – 6 U 193/08).

Bei AGB kommt es also anders als bei anderen Sprachwerken weniger auf die Auswahl und die Darstellung des Inhalts, als auf die durch individuelle Gedankenführung geprägte sprachliche Gestaltung an, die auch urheberrechtlichen Schutz auslösen kann (OLG Köln, Beschluss vom 07.08.2006 – 6 W 92/06).

Im Klartext heißt das wiederum, es kommt darauf an, ob die AGB im Vergleich zu branchenähnlichen AGB hinreichende schöpferische Eigenheiten aufweisen. Dieser Vergleich lässt sich anhand von juristischer Fachliteratur anstellen, in der sich auch Vertragsmuster finden lassen – etwa im 6-bändigen Münchener Vertragshandbuch.

Angepasste Anforderungen an die Gestaltungshöhe und geringerer Schutzumfang

Kreativität ist bei AGB nur begrenzt angebracht bzw. überhaupt möglich. Aus diesem sehr engen Spielraum für individuelle Gestaltung ergeben sich niedrigere Anforderungen an Individualität und Gestaltungshöhe – ähnlich wie bei der Formulierung von Leitsätzen zu juristischen Entscheidungen (OLG Köln, Urteil vom 27.02.2009, Geschäftsnummer 6 U 193/08, BGH GRZR 1992, 382, 385 -Leitsätze).

Ironischerweise ist eine besonders verbraucherfreundlich formulierte und leicht verständliche Sprache ein individualisierendes Kriterium und weicht von der üblichen juristischen Diktion ab.

Folge dieser verringerten Anforderungen ist jedoch auch eine geringere Schutzintensität. Das Urheberrecht ist also nicht wie ein „safe harbour“, wer einmal das rettende Ufer erreicht hat, genießt nicht automatisch den vollumfänglichen Schutz. Das Urheberrecht lässt sich eher mit einer Waage vergleichen, wie sie Justitia in mittelalterlichen Darstellungen in der Hand hält. Je schwerer die Zweifel an der erforderlichen Schöpfungshöhe wiegen, desto leichter ist die Schutzintensität. Oder anders: Es wird versucht, eine gewisse Balance zwischen den widerstreitenden Interessen, dem Urheberrecht und den Interessen des Nutzers des Werkes, zu finden.

Für die Praxis bedeutet das: Wenn nur die untere Grenze der erforderlichen Schöpfungshöhe erreicht ist, fällt der Nutzer der AGB leicht aus dem Schutzumfang heraus. Bereits kleine Abänderungen können geeignet sein, den Urheberschutz zu verlassen und den Bereich der freien Bearbeitung zu erreichen.

Eine widerrechtliche Verletzung des Urheberrechts liegt nichtsdestotrotz vor, wenn die AGB 1:1 übernommen werden bzw. lediglich die Kontaktdaten ausgetauscht werden, was wesensnotwendig für eine sinnvolle Nutzung der fremden AGB ist.

Anspruchsumfang: Unterlassungs- und Schadensersatzanspruch

Die Rechtsfolgen einer widerrechtlichen Urheberrechtsverletzung sind in § 97 UrhG definiert. In erster Linie steht dem Geschädigten ein Beseitigungs- und bei Wiederholungsgefahr ein Unterlassungsanspruch zu. Die Wiederholungsgefahr wird grundsätzlich indiziert, nur durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung kann diese Vermutung aus dem Weg geräumt werden.

Werden die fremden AGB ohne eine entsprechende Lizenzvereinbarung öffentlich gemacht, wird also das ausschließliche Nutzungs- und Verwertungsrecht des Urhebers verletzt, steht diesem bei Vorsatz oder Fahrlässigkeit seitens des Verletzers ein Schadensersatzanspruch zu.

Ein Verletzerzuschlag ist grundsätzlich nicht zu gewähren, auch nicht auf der Grundlage der europäischen Urheberrechtsrichtlinie (RL 2004/48/EG). Ausnahmen gelten nur dort, etwa zugunsten der GEMA, wo die Rechtsverfolgung systematisiert ist und damit erhebliche objektive Kosten zur Kontrolle und Überwachung von Rechtsverletzungen anfallen.

Berechnung des Schadensersatzanspruch – Wahlrecht des Geschädigten

Bei einer Urheberrechtsverletzung stehen dem Geschädigten grundsätzlich drei Methoden zur Verfügung, seinen Schaden zu berechnen: entgangener Gewinn, Herausgabe des Verletzergewinns oder Berechnung nach der Lizenzanalogie.

Wer die Wahl hat, hat die Qual. Dem ist nicht so im Urheberrecht. Das Wahlrecht des Geschädigten, sich für eine Berechnungsmethode zu entscheiden, erlischt erst mit Erfüllung bzw. rechtskräftiger Zuerkennung des Anspruchs (BGH GRUR 1993, 55 – Tchibo/Rolex II; OLG Düsseldorf GRUR-RR 2006, 383 – Berechnungswechsel).

In der Praxis heißt das, dass der Geschädigte seiner Zahlungsklage eine Berechnungsmethode zugrunde legen kann, ohne sich damit festlegen zu müssen. Kommen neue Informationen im Verfahren zu Tage, kann er ohne eine förmliche Klageänderung eine neue Berechnungsmethode anwenden.

Relevant für Urheberrechtsverletzungen bei AGB ist trotz alledem fast ausschließlich die Berechnung des Schadens anhand eines fiktiven Lizenzentgelts.

Es wird also ermittelt, welches Lizenzentgelt ein vernünftiger Lizenzgeber anstelle des Geschädigten mit einem vernünftigen Lizenznehmer anstelle des Schädigers vereinbart hätte. Bei dieser fingierten Lizenz wird außer Acht gelassen, dass die Gerichtsentscheidung den Schädiger davon abhält, die AGB weiter zu verwenden. Denn dieser Geschehensablauf wird gerade nur durch die Widerrechtlichkeit der Verwendung ausgelöst .

Grundlage für die Berechnung ist deshalb häufig ein längerer Zeitraum, z.B. von einem Jahr. Im jüngsten Urteil des LG Köln vom 8.8.2013 (Aktenzeichen 137 C 568/12) ergab das für 12 Monate 615 €. Die Anwaltskanzlei berechnete im Mittel 102,50 € monatlich nach der Erstellung der AGB. Das Gericht schätzte aber, dass etwa 50 % für die Aktualisierung der AGB und die Übernahme der entsprechenden Haftungsrisiken anfielen und diese Leistungen vom Schädiger nicht gewollt waren.

Fazit           

Vor allem von Kleinunternehmern wird die AGB-Erstellung als Möglichkeit begriffen, Kosten einzusparen. Deswegen ist es gängige Praxis, die AGB eines Konkurrenten zu kopieren. Wer sich vor schlafenden Kosten in Form von Lizenzentgelten, die später eingefordert werden könnten, schützen möchte, sollte die AGB zumindest etwas umformulieren. Am besten aber ist, man investiert in eine anwaltliche Beratung, da die AGB Grundlage jedes geschäftlichen Handelns sind und vor weiteren unkalkulierbaren Kosten schützen. Falls doch etwas passiert, kann man den Anwalt in die Haftung einbeziehen.