Grundsatz der Tarifeinheit (GdT) ist ein Rechtsgrundsatz, dass  in einem Arbeitsverhältnis oder in einem Betrieb nur ein Tarifvertrag anzuwenden ist: Ein Betrieb, ein Tarifvertrag. Maßstab für die Rechtsprechung zu diesem Grundsatz ist das sog. „Spezialitätsprinzip“, welcher besagt, dass der Tarifvertrag anzuwenden ist, der dem Betrieb nach seinem Geltungsbereich (betrieblich, räumlich, persönlich) am nächsten steht. Es ist eine Kollisionsregel für solche Fälle, in denen mehrere Tarifverträge auf denselben Sachverhalt anwendbar sind, u. a. für die Tarifkonkurrenz in einem Arbeitsverhältnis und Tarifpluralität in einem Betrieb. Seit der neuen Rechtsprechung des BAG gilt in den Betrieben der „Grundsatz der Tarifpluralität“ und hat die Bundesegierung dazu bewegt, einen Referentenentwurf für ein neues Tarifeinheitsgesetz (TEG) vorzulegen. Tarifkonkurrenz liegt vor, wenn mehrere Tarifverträge für dasselbe Arbeitsverhältnis Geltungen beanspruchen. Zur Lösung dieser Kollision, ist der GdT in diesem Fall weitergehend unstrittig. Anders bei der Tarifpluralität. Dies ist der Fall, wenn der Betrieb des Arbeitgebers vom Geltungsbereich zweier von verschiedenen Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträgen erfasst wird, an die zwar der Arbeitgeber gebunden ist, während aber für den jew. Arbeitnehmer je nach Tarifbindung, nur einer der beiden Tarifverträge Anwendung findet. Demnach ist die umstrittene Frage, ob der GdT auch bei der Tarifpluralität in einem Betrieb anzuwenden ist und wurde  bisher durch  ständige Rechtsprechung des BAG, ebenfalls nach dem „Spezialitätsprinzip“ gelöst.

Aus dem Anfragebeschluss des Vierten Senats des BAGs, vom 27.01.2010 (4 AZR 537/08) ist zu entnehmen, dass dieser gem. § 45 III 1 ArbGG eine Divergenzanfrage an den Zehnten Senat des BAGs gerichtet hat, mit der Absicht, seine bisherige Rechtsprechung zum GdT in den Fällen der Tarifpluralität in Betrieben zu ändern. Nach der neuen Auffassung des Vierten Senats gelten für ein Arbeitsverhältnis, dessen Parteien nach § 3 I TVG an einen Tarifvertrag gebunden sind, die Rechtsnormen dieses Tarifvertrages, die den Inhalt, den Abschluss und die Beendigung von Arbeitsverhältnissen ordnen, zwingend und unmittelbar nach § 4 I TVG. Sie können auch dann nicht nach dem GdT verdrängt werden, wenn der Arbeitgeber durch seine Mitgliedschaft in einem tarifschließenden Arbeitgeberverband zugleich an einen mit einer anderen Gewerkschaft für Arbeitsverhältnisse derselben Art geschlossenen Tarifvertrag unmittelbar gebunden ist. Nach der bisherigen Rechtsprechung des Vierten Senats kam der GdT auch dann zum Tragen, wenn ein Betrieb vom Geltungsbereich mehrerer Tarifverträge erfasst wurde, die von verschiedenen Gewerkschaften geschlossen worden waren und an die der Arbeitgeber deshalb gebunden war.

Der Zehnte Senat des BAGs hat sich in zwei Beschlüssen der vom Vierten Senat im Anfragebeschluss vom 27.01.2010 dargelegten Rechtsauffassung zur Tarifeinheit angeschlossen (Beschluss vom 23.06.2010 10 AS 2/10 & 10 AS 3/10). Sie begründet ihre neue Rechtsauffassung damit, dass es keinen übergeordneten Grundsatz gäbe, dass für verschiedene Arbeitsverhältnisse der selben Art in einem Betrieb nur einheitliche Tarifregelungen zur Anwendung kommen könnten und hat den GdT für den Fall der Tarifpluralität gekippt.

Seit dem Beschluss des Zehnten Senats gilt in den Betrieben „Grundsatz der Tarifpluralität“, für dieselbe Arbeitsgruppe finden verschiedene Tarifverträge gleichzeitig Anwendung. Arbeitgeber fordern seither von der Bundesregierung, das Treiben kleiner, aber durchsetzungsstarker Spartengewerkschaften einzudämmen. Streiks in rascher Folge und Lähmung von öffentlichem Leben und Wirtschaft sollen erschwert werden und stellt seitdem die Bundesregierung unter Druck. Die Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles hat zu dieser Problematik im Oktober 2014 einen Referentenentwurf zum Tarifeinheitsgesetz vorgestellt. Dieser Entwurf sieht eine grundlegende Ändereung des Tarifvertragsgesetzes (TVG) vor: Tarifkonflikte konkurrierender Gewerkschaften eines Betriebes, sollen künftig verhindert und somit durch das „Mehrheitsprinzip“ gem. § 4a I 1 TVG aufgelöst werden. Dies gilt allerdings erst nach gescheiterten Einigungsversuchen der Tarifparteien untereinander.

Aus Sicht der Bundesregierung, gewährt der Referentenentwurf Bestandsschutz für bereits bestehende Tarifverträge bis zu einem Stichtag. Dadurch soll Nachteilen entgegengewirkt werden, die einer Gewerkschaft durch die Verdrängung ihrer bereits abgeschlossenen Tarifvertrages durch die gesetzliche Tarifeinheit entsteht. Die Gerichte sollen außerdem über den im Betrieb anwendbaren Tarifvertrag auf Antrag einer Tarifpartei mit bindender Wirkung für Dritte entscheiden.  Außerdem haben die kleineren Gewerkschaften die Möglichkeit, in einer Tarifgemeinschaft gemeinsam Tarifverträge zu verhandeln oder inhaltsgleiche Tarifverträge abzuschließen. Mit dem Beschluss vom 22. Mai 2015 haben sich 448 Abgeordnete dafür und 126 dagegen entschieden und 16 Parlamentarier enthielten sich. Dem Bundesrat wurde das Gesetz am 12. Juni 2015 vorgelegt. Weil eine Mehrheit der Länderkammer nicht notwendig ist, dürfte das TEG im Juli in Kraft treten.

Spartengewerkschaften haben bereits Bedenken gegen die Koalitionsfreiheit aus Art. 9 III GG geäußert und befürchten, von den größeren, konkurrierenden Gewerkschaften verdrängt zu werden und haben auch bereist Verfassungsklagen angekündigt. Der DBB (Deutscher Beamtenbund und Tarifunion) verwies auf ein jüngstes Gutachten des wissenschaftlichen Dienstes des Bundestages: „Es bestätige, dass das Gesetz handwerklich schlecht und verfassungswidrig ist. Der Entwurf sei laut Gutachten vermutlich ein unzulässiger Eingriff in die im Grundgesetz verankerte Koalitionsfreiheit.“ Der Auffassung schließt sich die Opposition ebenfalls an.